Bewegung, Sport und Schmerz

An dieser Stelle möchten wir praktische Tipps für das Vorgehen bei Schmerzen geben, die Schmerzentstehung beleuchten und zeigen, dass sich Schmerz und Bewegung nicht ausschließen.

 

Unser Warnsystem

Nicht nur im Hochleistungssport wird das Warnsystem Schmerz überhört. Viele Freizeitsportler betreiben Sport und Bewegung unter Schmerzen. Sei es der einsame Marathonläufer, dem die Knie schmerzen, die Tennisspielerin, die bei ihrem wöchentlichen Spiel die Schulter spürt, der Golfer, der sich bei jedem Schwung den Rücken hält oder die Joggerin, die nach 10 Minuten Laufen Wadenschmerzen fühlt.  

 

Extreme Belastungen im Freizeitsport kommen oft zustande, wenn

● sich Personen überschätzen

● durch Sport Probleme verdrängt werden

● Sport eine Ersatzbefriedigung wird

● Sport als Ventil für Konflikte dienen soll

 

Wirken diese Mechanismen, ist es oft schwierig mit Vernunft sein eigenes Sportverhalten kritisch zu prüfen.

 

Sport sollte nicht nur Körper und Geist fördern, er sollte langfristig Freude bereiten. Neben den Menschen, die Sport mit Schmerzen und negativen Auswirkungen auf Ihren Körper betreiben, gibt es allerdings Personen, die Sport und Bewegung als Therapie gegen Schmerzen und Erkrankungen betreiben. Sport und Bewegung lindern folgende Beschwerden und Erkrankungen:

● chronische Schmerzen,

● Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)

● Adipositas (Fettsucht)

● Herz-Kreislauf-Erkrankungen

● Fettstoffwechselerkrankungen

● Gelenk- und Rückenschmerzen

● Rheuma

● Asthma

● Bluthochdruck

● Krebs

● neurologische und psychische Erkrankungen.

 

Wie kann im Sport bei Schmerzen praktisch vorgegangen werden?

Zur Schmerzvorbeugung, sollten Sie:

●als Sporteinsteiger, nach langer Pause, bei Vorerkrankungen (z.B. Herzerkrankung oder Zuckererkrankung), Risikofaktoren (Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Bewegungsmangel, Übergewicht) oder Gelenksbeschwerden zunächst eine Gesundheitsprüfung durchlaufen.

● Ihr sportliches Vorgehen gut planen und steuern, damit keine Überlastungen entstehen. Es gilt einige Punkte wie Aufwärmen, Lauftempo, Umfang, Häufigkeit, Gewichtswahl (Krafttraining), korrekte Technikausführung (Schuss-, Wurf, Schlagdisziplinen), Erholungszeiten zu beachten.

● für ausreichend Qualität bei Ihrer Sportausrüstung (Schuhe, Kleidung, Geräte) sorgen.

 

Bei akuten Schmerzen beim Sporttreiben, sollten Sie:

● Ihre Belastung beim Sport herunterfahren (weniger intensiv, weniger lang, weniger häufig).

● Ihr sportliches Vorgehen bei Übungen, Training und Wettkampf auf Überlastung prüfen.

● Aspekte wie Aufwärmen, Lauftempo, Umfang, Häufigkeit, Gewichtswahl (Krafttraining), korrekte Technikausführung, (Schuss, Wurf, Schlagdisziplinen), Erholungszeiten beachten.

● Ernährung und Trinkverhalten überprüfen.

● die Qualität Ihrer Sportausrüstung (Schuhe, Kleidung, Geräte) hinterfragen.

 

Bei anhaltenden Schmerzen bei der Sportausübung, sollten Sie:

● Ihren Hausarzt oder Orthopäden aufsuchen

● sich auf eine Sportpause einstellen

● zum Ausgleich vorübergehend eine andere Sportart betreiben

● erst wieder Sport treiben wenn die Verletzung oder Erkrankung ausgeheilt ist

 

Beim Wiedereinstieg sollten Sie mit niedriger Belastung beginnen und langsam erst die Häufigkeit, dann den Umfang und dann die Intensität steigern.

 

Medizinische Leitlinien

Wenn Sie sich bei Schmerzen und gesundheitlichen Beschwerden über das richtige Vorgehen informieren wollen, sind medizinische Leitlinien hilfreich. Diese

● werten das umfangreiche Wissen aus Wissenschaft und Praxiserfahrung zu speziellen Erkrankungen aus

● erklären gegensätzliche Standpunkte

● geben unter Abwägung von Nutzen und Schaden das derzeitige medizinische Vorgehen der Wahl an

● sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Leistungserbringer (Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten etc.) und Patienten über die angemessene Vorgehensweise bei speziellen Gesundheitsproblemen

 

Leitlinien sind zum Beispiel über die  Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) einsehbar. In dieser sind derzeit 150 wissenschaftliche Gesellschaften aus allen Bereichen der Medizin zusammengeschlossen (http://leitlinien.net/).

 

Helfender und überflüssiger Schmerz

Akute (unmittelbare) Schmerzen sind ein wichtiges Alarmsignal und für das Überleben des Menschen entscheidend. Eine Therapie ihrer Ursachen können die Schmerzen beenden. Chronische (dauernde) Schmerzen dagegen haben keine Funktion mehr.

 

Der chronische Schmerz:

● kann als ein über 3-6 Monate bestehender Schmerz  definiert werden

● führt zu einer Verselbständigung des Schmerzes, es entsteht ein eigenes Krankheitsbild, die Schmerzerkrankung

● zeigt vermehrt seelische Begleiterscheinungen

● bringt die Betroffenen dazu, Schmerzen verändert wahrzunehmen und diese anders zu verarbeiten

● erweckt leider oft eine geringe Akzeptanz bei Mitmenschen

 

Es lassen sich drei Arten von Schmerzen unterscheiden:

● Nozizeptive Schmerzen: Sie entstehen durch ein Übermaß an Schmerzreizen; sie treten bei akuten (z.B. Stöße, Quetschungen, Zahnschmerzen, Verbrennungen) oder chronischen Schmerzen (z.B. Rheuma oder Krebs) auf. Der Schmerzreiz wird durch Reizung der Schmerzfühler (Schmerzrezeptoren, Nozizeptoren) verursacht.

● Neuropathische oder neurogene Schmerzen: Sie entstehen durch Schädigungen des Nervensystems (z.B. durch Amputation, Entfernung eines Nervs, Gürtelrose); durch die Unberechenbarkeit der Schmerzentstehung sind sie extrem belastend und werden häufig von Ängsten und Depressionen (Niedergeschlagenheit) begleitet (neuropathisch = die krankhaften Vorgänge des Nervensystems betreffend, neurogen = von den Nerven ausgehend).

● Idiopathische und psychogene Schmerzen: Es handelt sich um Schmerzen, bei denen keinerlei organische Schädigung als Ursache festgestellt werden konnte; psychogene Schmerzen resultieren aus seelischen Beschwerden, bei idiopathischen Schmerzen ist keine Ursache zu erkennen.

 

Wie sich der Schmerz seinen Weg bahnt

Schmerzen werden vorwiegend durch Reizung von Schmerzfühlern (Schmerzrezeptoren, Nozizeptoren) in der Haut, in Muskeln, Gelenken und in Organen wie Herz und Lunge ausgelöst. Es gibt zwei Hauptformen, Typ A und Typ C. Typ A ist nur empfänglich für intensive mechanische Reize (Reiben, Stoßen, Quetschen, Stechen). Typ C ist empfänglich für Reize unterschiedlicher Art: thermisch (Verbrennen), mechanisch sowie chemisch (Verätzen). Bei einer Gewebsschädigung werden schmerzerzeugende Substanzen freigesetzt. Wird ein Rezeptor wiederholt gereizt, wird er empfindlicher. Dieser Mechanismus fördert das entstehen von chronischen Schmerzen. Auf seinem Weg entlang den Nervenbahnen bis zum Gehirn, wird das Schmerzsignal immer wieder von anregenden und hemmenden Einflüssen geformt. Im Rückenmark werden durch Endorphine („Glückshormone“) Schmerzen automatisch gemildert. Durch Bewegung und Sport aber auch durch Lachen können ebenso Endorphine ausgeschüttet werden. Aber auch Reizstrom und Manipulationen (z.B. durch Physiotherapie) hemmen die Stärke des Schmerzsignals.  Schließlich wird in verschiedenen Gehirnregionen, den Schmerzzentren, unter dem Einfluss von Gedächtnis und Gefühlen, das Schmerzsignal bewertet. Es wird zu dem geformt, was wir als Schmerz fühlen.

 

Beeinflussung des Schmerzes

Was die Stärke der Schmerzen betrifft, können wir diese durch unterschiedliche Erwartungshaltungen beeinflussen. Wenn man eine Verringerung der Schmerzen erwartet, kann eines der Schmerzzentren, der Cortex cinguli, veranlassen, dass schmerzhemmende Endorphine ausgeschüttet werden. Andererseits kann es zu einer Schmerzverstärkung kommen, wenn wir einen starken Schmerz erwarten. Selbst bei Abwesenheit von Schmerzreizen können wir Schmerzen fühlen z.B. durch Beschreibungen, Bilder oder Filme, die unsere Schmerzzentren anregen. Ob Schmerzen und vor allem wie Schmerzen empfunden werden, ist von vielen Faktoren abhängig, wie z.B.: Persönlichkeit, kultureller Hintergrund, körperliche Gesamtverfassung.

 

Die Verselbständigung des Schmerzes

In Deutschland gibt es 10 bis 12 Millionen Schmerzpatienten. Aber wie kann ein akuter Schmerz zum Dauerzustand werden? Dafür gibt es zwei Gründe.

● Einerseits kann der Auslöser für die Schmerzen noch immer vorhanden sein (Krebs, Infektion usw.). In diesem Fall wird das Nervensystem immer empfindlicher. Denn der Mensch gewöhnt sich in Wahrheit nicht an Schmerzen. Im Gegenteil. Das Nervensystem merkt sich geradezu den Schmerz. Man spricht vom Schmerzgedächtnis. Dieses entsteht, weil die lang anhaltenden oder besonders starken Schmerzreize Nervenzellen verändern.

Es bilden sich vermehrt Schmerzfühler aus, die schon bei schwachen Reizen oder ohne jeglichen Reiz Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten. Ein Windhauch kann dann bei einem Patienten mit Gürtelrose im Gesichtsbereich starke Schmerzen hervorrufen. 

● Andererseits kann das Nervensystem selbst erkranken. Es kann sich um eine Störung in den Armen oder Beinen (abgetrennte Gliedmaßen), des Rückenmarks oder des Gehirns handeln. Außerdem können die Fasern, die normalerweise automatisch bei Schmerzreizen Endorphine (schmerzhemmende Hormone) ausschütten, erkranken und ihre schmerzhemmende Funktion verlieren.

● Bei allen chronischen Schmerzen gibt es einen psychischen Einfluss. Um welchen Schmerz es sich auch immer handelt, entscheidend ist die Tatsache, dass der Patient leidet.

 

Wenn der Schmerz regiert

Schmerzen können das Verhalten eines Menschen extrem verändern. Typisch für Schmerzpatienten ist, dass sie

● ständig Angst vor Schmerzen haben und alles vermeiden, was ihnen tatsächlich oder möglicherweise Schmerzen bereitet (Vermeidungsverhalten).

● auf jede Bewegung achten, ihre Wohnung ungern verlassen, nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Zum körperlich-seelischen Leiden kommt so die soziale Ausgrenzung. Der Schmerz wird zur Behinderung.

 

Durch Bewegung und Sport mehr Lebensqualität

Mann kann man Schmerzpatienten meist nicht komplett heilen. Aber man kann ihre Schmerzzustände verbessern und sie befähigen mit diesen zu leben. Wie sollte vorgegangen werden?

● Grundsätzlich sollten die körperliche und die seelische Seite des Schmerzes behandelt werden

● Ansprechpartner sind Ärzte, Psychologen, Bewegungstherapeuten, persönliche Trainer

● Durch Medikamente sollen die Schmerzen in einem erträglichen Bereich gehalten werden

● Wichtig ist die Abschwächung des Vermeidungsverhaltens des Patienten

● Bewegung und Sport durchbrechen den Teufelskreis Schmerz – Bewegungsvermeidung - Leistungs- und Funktionsverlust – Schmerz(verstärkung)

● Die körperlichen Fähigkeiten des Menschen leben von Belastungsreizen; ohne Belastung verkümmern Muskeln, Gelenkkapseln, Sehnen und Bänder schrumpfen, Gelenkknorpel bilden sich zurück und die Körperhaltung verändert sich – das gilt auch für Schmerzpatienten.

 

Durch Bewegung und Sport unter therapeutischer Aufsicht

● kann das Bewusstsein geschaffen werden, trotz Schmerzen etwas leisten zu können und die Überzeugung des Patienten "Bewegung = Schmerz“ aufgebrochen werden.

● können schlechte Erfahrungen mit Bewegung, die das Chronischwerden des Schmerzes verstärkten, durch positive Erfahrungen ausgetauscht werden. So kann der Schmerz neu und weniger dramatisch bewertet werden.

● können Patienten erkennen, dass  ihre Schmerzen innerhalb ihres Einflussbereichs liegen, sie also selbst etwas an ihrer misslichen Lage verändern können.

● können Nervenimpulse, die Schmerzreize weiterleiten, gehemmt werden.

 

Bewegung fördert die

●Durchblutung im Bereich der betroffenen Körperstellen, der Stoffwechsel wird gesteigert, und schmerzfördernde Substanzen verstärkt abtransportiert. 

● Ablenkung von den Schmerzreizen und hat damit einen antidepressiven Effekt.

 

Neben psychologischer und medikamentöser Unterstützung ist für Schmerzpatienten die Teilnahme an einer Trainingstherapie zu empfehlen. Um die oben genannten positiven Effekte von Bewegung und Sport zu erreichen, sollte dies eine Kombination aus gut dosiertem Kraft-, Ausdauer-, Beweglichkeits- und Koordinationstraining sein. Unabdingbar ist eine intensive therapeutische Betreuung und die Mitbeachtung von beschwerdenauslösenden Bewegungen im Alltag.


 

Kontakt

André Boumezrag

Altstraße 10

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Mobil: 0177 3596094

Mail: info@back-academy.de

 

 

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